Dies und Das       Altes und Neues Testament

 

Was ich schon immer über Bibel, Christentum und Kirche wissen wollte,  mich aber nie zu fragen getraut habe…
 

Was ist der geschichtliche Hintergrund des neuen und alten Testaments? Warum gibt es eigentlich zwei?

Diese Frage ist eine echte Herausforderung. Wahrscheinlich würde eine Semester-Vorlesung nicht ausreichen, um sie umfangreich und detailliert zu beantworten. Zum einen, weil der geschichtliche Hintergrund der Entstehung der biblischen Schriften sich auf einen Zeitraum von gut 1200 Jahren erstreckt. Zum andern, weil vieles in der Forschung umstritten ist und es demnach viele Theorien zur Entstehungsgeschichte der biblischen Schriften gibt.
Hilft aber alles nichts – die Frage ist gestellt und sie soll nach bestem Wissen und Gewissen und gleichzeitig so kurz wie möglich auch beantwortet werden. Das soll in zwei Teilen geschehen. Heute der erste Teil: Warum ist die Bibel in zwei Testamente unterteilt?
Zunächst einmal ist zu sagen, dass die Texte der Bibel nicht vom Himmel gefallen sind. Sie sind Literatur. Geschrieben und zusammengestellt von unterschiedlichen Menschen zu unterschiedlichen Zeiten. In der Bibel finden sich Geschichten, Gedichte, Lieder, Gesetzestexte, Briefe, Historienschreibung, Mythen, Sagen, Novellen, Reden, Sprichwörter und andere literarische Gattungen.
Allen Texten gemeinsam ist, dass sie die Erfahrungen der Menschen mit Gott und der Welt literarisch zum Ausdruck bringen. Sie sind Glaubenszeugnisse, Vermächtnisse des Glaubens an Gott (lateinisch: testamentum = Vermächtnis, testis = Zeuge).
Die Texte des Alten Testaments entstehen in einem Zeitraum von ca. 900 v. Chr. bis ca. 100 v. Chr. und sind die Glaubenszeugnisse des Volkes Israel, wie die Juden in den alttestamentlichen Schriften genannt werden. Um das Jahr ca. 100 n. Chr. legen jüdische Schriftgelehrte die Texte fest, die von nun an verbindlich für das Judentum gelten sollen und die es bis auf den heutigen Tag für einen frommen Juden auszulegen und auf das Leben anzuwenden gilt. Es sind genau die Texte, die wir aus unserer Bibel als Altes Testament kennen.
Mit dieser Festlegung grenzt man sich um das Jahr 100 von einer neuen theologischen Richtung innerhalb des Judentums ab, die weitere literarische Glaubenszeugnisse verfasst. Man nennt diese Gruppe schon um das Jahr 50 Christen, weil sie behaupten, mit dem Juden Jesus von Nazareth sei der Messias (griechisch: Christos) gekommen, den die Glaubenszeugnisse des Volkes Israel ankündigen. Die Christen glauben, dass sich in Jesus Gott offenbart. In seinen Taten, seinem Leben, Sterben und Auferstehen zeige sich ein für alle mal, was Gott mit den Menschen vorhat.
Die Christen beziehen sich also auf die gleichen Schriften wie das Volk Israel, das heutige Alte Testament. Sie verfassen aber gleichzeitig neue Glaubensvermächtnisse (Evangelien, Briefe, Apostelgeschichte etc.), die davon berichten, dass Gott sich in dem Juden Jesus zeigt und die darüber nachdenken, was das für die Menschen bedeutet. Die Schriften des Neuen Testaments.
An diesem Glaubensvermächtnis spaltet sich das Judentum um die erste Jahrhundertwende unserer Zeitrechnung. Das Christentum als eigenständige Religion entsteht. Eine Religion, die für sich in Anspruch nimmt – das mag man durchaus dreist nennen können – das wahre Volk Israel zu sein. Und deshalb bezieht sich das Christentum sowohl auf die alten Glaubensvermächtnisse des Volkes Israel wie auch auf die neu entstandenen. Spätestens seit dem 3. Jahrhundert sind die beiden Testamente, das Alte und das Neue, zusammengefasst in einem Buch, dem Buch – die Bibel.

Simon Meister