gehalten von
Simon Meister, evangelischer
Pfarrer in Essenheim
Torsten Geis,
katholischer Pfarrer in Ober-Olm
Gnade sei mit euch…
Liebe Gemeinde,
Kerb, Kirchweih – was feiern wir da eigentlich?
Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Und erst
recht nicht, wenn wir diese Frage in einem ökumenischen Gottesdienst
stellen. Wenn wir sie also aus katholischer und evangelischer Perspektive
beantworten wollen.
Schön, dass du da bist, Thorsten! Schön, dass wir alle
gemeinsam Gottesdienst feiern. Und schön, dass wir uns in dieser Predigt
über die Frage unterhalten, warum wir eigentlich Kerb feiern!
Wir werden nach Gemeinsamkeiten suchen, aber sicher auch
feststellen, was verschieden ist…
Das gönnen wir uns einfach.
Wir gönnen uns die Gemeinsamkeiten und wir gönnen uns die Verschiedenheit!
Da bin ich ganz bei Dir! Dann legen wir gleich mal los:
Warum feiert ihr Kerb, Thorsten?
In unserer Tradition haben
Segnungen und Weihen einen sehr großen Platz. Besondere Dinge werden in
ihrer Beziehung zu Gott dargestellt, in dem Gott gelobt wird. Eine Kirche
ist jedoch noch einmal ein besonderer Ort. Für uns Katholiken ist eine
Kirche nicht nur ein Versammlungsort, wo Gottesdienst gefeiert wird. Es
ist von unserem Eucharistieverständnis her ein Ort, den wir mit der
Kirchweihe sozusagen „Gott übergeben“. Er „wohnt“ dort. Im Tabernakel
werden die konsekrierten Hostien aufbewahrt, das Allerheiligste, in dem
Gott selbst gegenwärtig ist. Der Altar in einer Kirche, auf dem das
Geheimnis der Eucharistie gefeiert wird, die Wandlung der Gaben von Brot
und Wein in die bleibende Gegenwart Christi, steht für Jesus Christus
selbst. Er wird in einer großen und aufwendigen Zeremonie geweiht. Somit
ist die Kirche für uns ein heiliger Ort, an dem Gott gegenwärtig ist. Er
ist für viele Menschen ein Ort des gemeinsamen Gottesdienstfeierns, aber
auch ein Ort der Stille und der Gotteserfahrung. Daher ist die Kirche nach
unserem Verständnis auch ein ganz besonderes Haus, in dem man Gott
besonders erfahren kann und in dem man –wie ich denke, sich auch
entsprechend verhalten sollte.
Ich finde den Gedankengang spannend. Ich kann ihn auch
nachvollziehen und ich glaube, da bin ich nicht allein. Ein Beispiel:
Ganz am Anfang des Konfi-Jahres, lasse ich die Konfis
alleine in der Kirche. Sie bekommen ein Aufgabenblatt zu unserer Kirche
und dürfen sich dann vollkommen frei in der Kirche bewegen. Alles darf
angeschaut, ausprobiert, angefasst, betreten werden. Einzige Bedingung:
Nichts darf kaputt gehen. Das hat bisher immer hervorragend geklappt, aber
eine Frage tauchte jedes Jahr auf: Dürfen wir
auch an den Altar? Worauf ich sage: Klar, warum denn nicht? -
Na ja, irgendwie ist das doch was Besonderes!
Die Konfis – und ich bin mir sicher, nicht nur sie – haben
ein Gespür dafür, dass es besondere Orte gibt, heilige Areale, die sich
irgendwie abgrenzen von der normalen Welt.
Dieses Empfinden kann man nicht leugnen und dennoch kennt
die protestantische Theologie keine per se heiligen Orte und auch keine
Weihe, die einen normalen weltlichen Ort in einen heiligen Bezirk
transformiert.
Das Empfinden der Konfis passt also nicht zur theologischen
Überlegung.
Das kann man als Mangel deuten, es hat aber – wie ich finde
– einen guten theologischen Grund:
Denn, wenn Gott wirklich allmächtig ist, dann wird er dort
wirken, wo er wirken will.
Wir können seinen Geist nicht eingrenzen in ein Gebäude aus
Mauern. Oder können wir wirklich behaupten, hier in der Kirche wirkt Gott
und wenn wir auf die Kerb gehen, wirkt er nicht mehr?
Und selbst wenn wir annehmen, dass Gott hier immer präsent
ist – es gibt Leute, die spüren ihn hier nicht, aber vielleicht an einem
anderen Ort, zu einer anderen Zeit, im Kontakt mit anderen Menschen.
Der Protestantismus kennt keine besonderen heiligen Orte,
heilige Zeiten und keine heilige Personen. Das erkläre ich dann auch den
Konfis.
Alles ist weltlich! Aber alles birgt das Heilige in sich,
weil mir in jedem Moment, an jedem Ort, in jedem Menschen Gott begegnen
kann. Und zwar nicht ein beliebiger Gott, sondern der, von dem in der
Bibel erzählt wird.
So gesehen ist es für euch
sehr viel schwieriger zu erklären, warum ihr eine Kirch-Weihe feiert…
Ja.
Was für euch sehr eindeutig und klar ist, müssen wir durchdenken!
Vielleicht können wir es so sagen:
Wir feiern Kirchweih, Kerb, weil es uns daran erinnern
soll, dass dies hier ein Ort ist, an dem wir regelmäßig Gottes Wort
verkünden. Hier soll Raum sein für Gottes Wort. Hier wollen wir der
Möglichkeit Raum geben, dass Gott den Menschen begegnen kann.
Ob und wie sich solche heiligen Momente tatsächlich
einstellen, das liegt nicht in unserer Hand, sondern allein im Willen des
Allmächtigen.
Das ist in der Tat ein großer
Unterschied: Weihe, ja oder nein… Die Frage, ob Gott an besonderen Orten
stets gegenwärtig ist… Darüber könnten wir jetzt lange diskutieren.
Und trotzdem glaube ich, ist
es sinnvoll, diesen Gottesdienst gemeinsam, unter einem Dach, eben
ökumenisch zu feiern!
So? und warum?
Wenn wir auch eine so
intensive Kirchweihe haben und die Kirche ein heiliges Haus ist, so hat
das Haus seine Heiligkeit natürlich in erster Linie durch die Menschen,
die es benutzen. Die Weihe eines Hauses mit aufeinandergesetzten und
verbundenen Steinen ist also nur dann ein sinnvolles Unterfangen, wenn es
auch Menschen gibt, die sich dort versammeln, die dort Gottesdienst
feiern, beten, Sakramente empfangen, wichtige Momente ihres Lebens dort
begehen. Andernfalls erfüllt ein Gotteshaus nicht seine eigentliche
Bestimmung. Insofern ist das Gotteshaus auch ein Sinnbild für die im
ersten Petrusbrief bezeichneten „lebendigen Steine“. Diese Steine sind wir
– keiner gleicht dem anderen und dennoch braucht man uns, damit ein
lebendiges „Haus Gottes“ entstehen kann. Wir haben einen Gott, der uns bei
aller Verschiedenheit eine gemeinsame Mitte gibt und einen gemeinsamen
Grund, warum wir glauben und aus unserem Glauben und seiner Botschaft
heraus handeln. Ich denke, dass diese Einstellung uns Katholiken mit den
Protestanten verbindet, auch wenn aus protestantischer Sicht die Weihe
eines Hauses nicht so hoch gehängt wird. Das Verständnis, dass wir als
Kirche ein Haus aus lebendigen Steinen sind, dürften wir jedoch teilen –
und das gibt uns zur gemeinsamen Feier eines Kirchweihfestes, der Kerb,
eine solide Grundlage.
Ein tolles Bild! Wir sind lebendige Steine…
Verschieden – wie alles Lebendige nun mal ist, aber
zusammenwirkend!
Gott hat etwas mit uns vor. Er baut etwas mit uns. Und der
Schlussstein – so heißt es im Epheser-Brief, den wir gehört haben – der
Schlussstein ist Jesus Christus.
Auf ihn hin richtet sich alles aus! Das verbindet uns bei
aller Verschiedenheit!
Und richten wir uns nach Christus, blicken wir auf
Christus…
… dann sehen wir, wen er im
Blick hatte…
Nämlich die Menschen!
Wir teilen die gleiche biblische Tradition, wir teilen den
Blick auf Christus, wir teilen die gleiche Berufung. Eine Schrift, ein
Christus, eine Berufung:
Schaut auf die Menschen und darauf, was sie brauchen. Legt
ihnen die frohe Botschaft von Gottes Liebe ans Herz!
Das ist uns gemeinsam und das sollten wir versuchen
umzusetzen.
z. b. mit einem ökumenischen
Kerbgottesdienst.
Oder einem Tauferinnerungsgottesdienst
Der Gottesdienst zur Einheit
der Christen im Januar
Die Passionsandacht, der Jugendkreuzweg
Der Gottesdienst zur Segnung
gemischt konfessioneller Paare
Die Schulgottesdienste
St. Martin
Die Adventsandacht
Pfingstmontag im Ober-Olmer
Wald
Weihnachten im Seniorenheim
Ökum. Kleinkindergottesdienst
Ob jung oder alt… viele Anlässe… Ich glaube, wir machen uns
nicht immer bewusst, wie viel schon gebaut ist. Und dass wir hier in
Essenheim darauf auch – zurecht – ein wenig stolz sein dürfen. Und
dennoch: Wie das so ist mit einem Hochbau…
… er ist noch lange nicht
fertig
Denkst du, es wird einmal so weit sein?
Wer weiß… Doch auch wenn es zu
einer Vereinigung von katholischer und evangelischer Konfession kommt, es
wird wohl trotzdem immer genug Baustellen geben.
Nur der Schlussstein,
Christus, hält alles zusammen.
Doch der wird nicht von uns
gesetzt!
Ja, der wird nicht von uns gesetzt. Uns bleibt nur, uns so
auszurichten, damit er passt!
Sich gemeinsam auf Christus
hin ausrichten.
Auch wenn wir
unterschiedlicher Ansichten bzgl. der Weihe sind, feiern wir doch heute
eines: Den Bau unserer Kirche. Aus Sandbruchsteinen und lebendigen
Steinen.
Ein Bau, der schon
Jahrhunderte besteht und ein Bau, der noch nicht fertig ist.
Ein Bau, an dem wir Arbeiter und Material zugleich sind.
Ein Bau, den zu gestalten,
eben auch Freude und Spaß macht.
Und das darf man nicht nur, das sollte man auch feiern!
Wir wünschen Ihnen eine gesegnete Kerb.
Amen.
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