DIE EINFÜHRUNG DER REFORMATION IN ESSENHEIM (1533)

von Heinrich Steitz

 

Manuskript eines Vortrags, überreicht im Festgottesdienst zur 450-Jahr-Feier der Einführung der Reformation am Sonntag, dem 30. Oktober 1983, um10.30 Uhr in der evangelischen Pfarrkirche zu Essenheim (Rheinhessen).

 

Vor 450 Jahren wurde in Essenheim die Reformation eingeführt. Die Kirche des heiligen Mauritius in Essenheim ist nicht das Gotteshaus, in dem zuerst im nachmaligen Rheinhessen evangelischer Gottesdienst gehalten wurde; das ist vielmehr der Dom des heiligen Martinus in Mainz. Aber Essenheim ist im heutigen Rheinhessen der erste Pfarrort, in dem die Reformation eingeführt wurde. Das ergab, sich zwangsläufig aus der damaligen politischen Zugehörigkeit.

 

In der Reformationszeit gehörte Essenheim zum Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Der Regent, Pfalzgraf Ludwig II. (1502‑1532), war einer der ersten unter den deutschen Fürsten, der sich entschieden auf Luthers Seite gestellt hatte. Im Jahre 1523, berief er einen treuen Anhänger der Reformation, Johannes Schwebel aus Pforzheim zu seinem Hofprediger. Soweit es in seinen Kräften stand, schützte er die lutherisch gesinnten Geistlichen seines Landes; aber zur Einführung der Reformation kam es unter Pfalzgraf Ludwig II. im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken nicht.

 

Pfalzgraf Ludwig II starb am 3. Dezember 1532. Sein Nachfolger wurde sein Sohn Wolfgang der beim Tode des Vaters erst sechs Jahre alt war. Die vormundschaftliche Regierung führte seine Mutter Elisabeth zusammen mit ihrem Schwager, dem Pfalzgrafen Ruprecht (1504-1544). Im Auftrag des Pfalzgrafen verfaßte Hofprediger Schwebel das „Gutbedünken wegen der Kirchenordnung“, das in Zwölf Artikeln den Pfarrdienst für Gottesdienst, Taufe, Katechismusunterricht, Abendmahl, Trauung und Beerdigung regelte. Diese Artikel wurden im Jahre 1533 als „Religionsmandat des Pfalzgrafen Ruprecht für das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken“ den Ämtern zugestellt mit der Weisung: „Wir Ruprecht wollen solche Kirchenordnung, in nachfolgenden Artikeln gestellt, gehalten haben“. Das wurde die Rechtsgrundlage für die Einführung der Reformation im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken  - und damit auch für die Einführung der

Reformation in Essenheim.

 

1. Die Voraussetzungen

 

Mit der Lateran - Urkunde vom 6. Mai 1140 bestätigte Papst Innozenz II. der Benediktinerabtei St. Maximin vor Trier ihren Besitz - darunter das Dorf mit Pfarrkirche Essenheim – innerhalb des Mainzer Erzbistums. Diese späte urkundliche Ersterwähnung des Ortsnamens Essenheim erklärt sich durch die Tatsache, dass die alten Urkunden der Benediktinerabtei St. Maximin vor Trier nicht, erhalten sind, während die geretteten Urkunden der Benediktinerabtei Lorsch die „...heim“ - Siedlungsnamen zwischen Rhein und Donnersberg zu einem großen Teil bereits im 8. Jahrhundert belegen. Die Dörfer sind  älter; sie entstanden im Zusammenhang der germanischen Landnahme im 6./7. Jahrhundert. In diese Besiedlungsepoche  ist auch Essenheim einzuordnen. Der Ortsname bedeutet „von einem Iso gegründete (oder einem Iso gehörende) Siedlung“ (A. Greule).

Am 15. Februar 1260 schenkte die Benediktinerabtei Tholey dem Mainzer Domkapitel die Kirche in Essenheim, die Mitte des 12. Jahrhunderts von St. Maximin vor Trier an St. Mauritius zu Tholey übergegangen war. In der Bulle von 1246 bestätigte Papst Innozenz IV. der Benediktinerabtei St. Mauritius zu Tholey die Zehnt- und Patronatsrechte in Essenheim. Ältere Zehnt- und Patronatsrechte besaß Tholey in Frei-Laubersheim. Die Beziehungen von Tholey nach Essenheim liefen über die Propstei Frei-Laubersheim.

 

Um 1150 begann die Mauritiusverehrung in Essenheim.

 

Wer war Mauritius? Abteilungskommandant Mauritius befehligte römische Legionäre unter Diokletians (284-305) Mitregent Maximian. Die Angehörigen dieser Legion stammten aus der ägyptischen Landschaft Thebais; sie bekannten sich zur christlichen Religion. Mauritius erhielt den Befehl, seine Abteilung durch Italien über die Alpen nach Octodurum (heute Martigny) ins Rhonetal zu führen. Als Maximian von den Legionären verlangte, den Götzen entsprechend den Bestimmungen des Kaiserkultes - zu opfern, flohen sie nach Acaunum (heute St. Maurice d´Agaune, Kanton Wallis). Da sie dort wiederum den Götzendienst ablehnten, wurde die Abteilung dezimiert und schließlich bis auf den letzten Mann enthauptet. Das ereignete sich während der Diokletianischen Christenverfolgung im Jahre 303.

Die Mauritiusverehrung breitete sich rasch aus; das hatte verschiedene Ursachen. Durch die Zersplitterung der Thebaischen Legion zog sich auch der Kult entlang den römischen Heerstraßen bis an den Niederrhein. In Acaunum gründete der spätere Burgunderkönig Sigismund ein Kloster, wodurch das dynastische Element neben Klerus und Volk als Kultträger hinzukam. Mauritius wurde Schutzherr des Langobardenreiches zur Zeit Karls des Großen; er stand auch Pate bei der Gründung des  Burgunderreiches. Otto der Große ließ im Jahre 937 Mauritius-Reliquien nach Magdeburg bringen und erhob den Heiligen zum Schirmherrn der deutschen Ostkolonisation. Unter den Saliern wurde Mauritius zum Reichspatron erhoben. Die Mauritius-Lanze geht auf die Heilige Lanze aus dem Langobarden-Kronschatz zurück. Mauritius-Reliquien finden sich in der Schweiz, in Frankreich und in Deutschland. Mauritius wurde auch als Schutzpatron des Kreuzfahrerheeres angerufen.

 

Der Ortsname „Tholey“ – wohl keltischen Ursprungs – erinnert an die frühe Besiedlung des Gebietes, in dem um 750 ein älteres Gotteshaus, umgebaut und erweitert zu einer Klosterkirche, zum Mittelpunkt der Benediktinerabtei Tholey wurde. Als Patrone der Klosterkirche werden der Apostelfürst Petrus und der Heilige Mauritius genannt. Von Tholey aus verbreitete sich die Mauritius-Verehrung in allen Kirchen, deren Patronatsrechte der Benediktinerabtei Tholey zustanden, so auch in Essenheim. Hier wurde der Heilige Mauritius verehrt als Patron des Dorfes und seiner Pfarrkirche.

 

Das Fest des Märtyrers Mauritius von Agaunum, primizerius der Thebaischen Legion, dux gloriosus, wurde am 22. September gefeiert. Die Abtei Tholey hat mit Bedacht diesen Tag in ihren Pfarreien hervorgehoben, indem sie auf Volksfrömmigkeit und Jugendunterweisung mit Nachdruck und Ernst hinwies.  DieAbtei besetzte in ihren Pfarreien die geistlichen Stellen, die sowohl die Seelsorge wie auch die Jugendunterweisung wahrnahmen. Darüber hinaus hatte, die Abtei - da sie die Zehntberechtigung inne hatte - für die geistlichen Gebäude (Kirche, Pfarrhaus, Altaristenhaus) zu sorgen. Altmonastischer Tradition entsprechend ordnete die Abtei die Jugendunterweisung in ihren Pfarreien mit besonderer Sorgfalt.

 

Als im Jahre 1260, die Kirche in Essenheim an das Mainzer Domkapitel kam, wurden Rechte und Pflicht en geteilt: Tholey behielt mit der Zehntberechtigung, die Bau‑ und Unterhaltungspflicht an allen geistlichen Gebäuden, Mainz erhielt mit dem Pfarrstellenbesetzungsrecht die Verpflichtung, die geistliche Betreuung zu leiten. Gerade die Übernahme, der geistlichen Betreuung durch Mainz wirkte sich für Essenheim günstig aus; denn die Pflege der Volksfrömmigkeit und die Ausgestaltung des Schulwesens erlangte im Spätmittelalter einen hohen Stand.

 

Die Geschichte der Jugendunterweisung im Kürfürstentum Mainz beginnt mit dem „Meister des Unterrichts“, dem heiligen Bonifatius (gest. 754); er hatte in allen seinem Einfluß offenen Gebieten Deutschlands die Kloster- und Bischofsschule nach dem Vorbild seiner angelsächsischen Heimat erneuert und zum Teil neu errichtet. Iren und Angelsachsen waren es, die, am Hofe Karls des  Großen wirkend, die Bildungspolitik des Kaisers beeinflußten. Dabei ging es zunächst um die Bildung des geistlichen Nachwuchses. Seit dem 8. Jahrhundert haben die Benediktinerklöster Vorbereitungsschulen für de geistlichen Dienst eingerichtet, in denen Singen, Lesen und Schreiben gelehrt wurden. Leiter der Schule war der „Scholaster“. Im 10. Jahrhundert hatte nicht nur das Domstift seinen Scholaster, sondern auch die Stiftskirchen in Stadt und Erzdiözese Mainz hatten ihren Scholaster. Bedeutsam für die Zukunft wurde, daß am Elementarunterricht in den Kloster- und Stiftsschulen auch Außenstehende - also Schüler, die nicht Geistliche werden wollten - teilnehmen konnten.

 

Karl der Große hatte es jedem Pfarrer zur Pflicht gemacht, Schüler heranzubilden, die beim Gottesdienst als Sänger und Meßdiener mitwirkten. Voraussetzung für die Tätigkeit waren Lesen und Schreiben. Schulzwang bestand nicht; aber der Pfarrer war verpflichtet, die Kinder zu unterweisen, wenn er darum gebeten wurde. Das Laterankonzil von 1215 ordnete an, daß bei jeder Kirche eine Schule zu errichten sei; damit war die Rechtsgrundlage für die Einrichtung der Kirchenschule gegeben. Seit dem Spätmittelalter standen dem Pfarrer Gehilfen für die Jugendunterweisung zur Seite: die Altaristen und die Glöckner. Bei der Vereinigung des Heilig-Kreuz- und des Helena-Altars in Ober-0lm mit dem Glöckneramt wurde der Altarist am 8. April 1446 verpflichtet, dem Pfarrer zu helfen mit „singen, lesen, beichthören“,  Krankenbesuchen und „schollen“; „schollen“ bedeutet hier „Schule halten“. Die Schule wurde im Hause des Altaristen gehalten; der Altarist war für den Schuldienst zuständig. Um 1500 waren in der Erzdiözese Mainz Schulen so stark verbreitet, daß die städtische Bevölkerung weithin lesen konnte; aber auch auf dem Lande gab es erstaunlich viele Schulen.

 

Die Meinung, in vorreformatorischer Zeit hätten nur die Kinder reicher Eltern eine Schulbildung erhalten, ist abwegig. Aus vielen Einzelbelegen ergibt sich folgendes Bild: Wenn die Kinder - Buben und Mädchen - ins siebente Lebensjahr kamen, sollten sie zur Schule geleitet werden. Seit dem 13. Jahrhundert war es Brauch, daß die Kinder dieser Altersstufe die Firmung - nach der Erstkommunion - empfingen. Dann aber wurden alle Getauften und Gefirmten im „Glauben“ unterwiesen. Die Kinder besuchten die Schule bis zum 12. Lebensjahr. Da der Unterrichtende Inhaber einer Altaristenpfründe - also einer kirchlichen Besoldung - war, wurde der Unterricht unentgeltlich erteilt.

 

Das kirchliche Bildungsstreben erfuhr eine kräftige Unterstützung durch das gedruckte Buch. Im Jahre 1445 vollendete Johann Gutenberg die Erfindung des Typengießinstrumentes, mit dem er bewegliche metallene Einzelbuchstaben herstellen konnte. Dadurch wurde der Buchdruck möglich, welcher der Verbreitung des Gedankengutes bis dahin ungeahnte Aussichten eröffnete. Bücher konnten in kurzer Zeit geliefert werden. Flugblätter, die  Vorläufer unserer Zeitungen, verbreiteten rasch wichtige Nachrichten. So kamen Bildungsgüter bis in das entlegenste Dorf, zu jedem, der lesen konnte. Lesenkönnen hat seit Erfindung des Buchdrucks größere Bedeutung als zuvor. Das Ansehen der Schulbildung wuchs.            

Lehren und Lernen lenkten die Blicke auf das „Buch“. Welches Buch wurde am Vorabend der Reformation wichtig? Auch in der Frühzeit des Buchdrucks regelte die Nachfrage das Angebot. Gedruckt wurden die Bücher, welche die Leute kauften; dies e aber kauften das Buch, das sie für das beste hielten - und das war die Bibel! Aber die Leute wollten die Bibel in ihrer Muttersprache lesen.

Nun ist folgendes bemerkenswert: In keinem anderen Land sind so viele Bibeln in der Landessprache erschienen wie in Deutschland. Bis zum Jahre 1522, in dem Martin Luthers Neues Testament Deutsch erschien, lagen bereits 18 Gesamtausgaben der Bibel in deutscher Sprache vor.

Es ist ein Irrtum, anzunehmen, Martin Luther habe als erster die Bibel in die deutsche Sprache übersetzt. Für die mittelalterlich-katholische Kirche war die Bibel in der Muttersprache das wichtigste Erbauungsbuch. Weil die Leute lesen konnten, verstanden Sie, wie Gottes Wort sich an Sie wandte. Das religiöse Interesse suchte Ruhe im Heiligen und sammelte sich um die Ordnungen der Kirche. Das späte 15. Jahrhundert war in Deutschland „eine der kirchenfrömmsten Epochen des Mittelalters“. Martin Luther hat also nicht ein verrottetes Kirchenwesen beseitigt, sondern mit Hilfe einer hochstehenden kirchlichen Bildung und verinnerlichten Volksfrömmigkeit auf der Grundlage der urgemeindlichen Verkündigung die christliche Kirche erneuert.

 

2. Die Einführung der Reformation

 

Die Bezeichnung „Reformation“ ist sowohl „religiös“ als auch „rechtlich“ zu verstehen. In religiösem Sinne gibt es „Reformationen“ schon vor Luther und auch in den Zeiten nach Luther; denn „reformatio“ meint die Erneuerung der Kirche mit dem Ziel, die urgemeindliche Form der biblischen Verkündigung wieder zur Geltung, zu erheben. Da zu allen Zeiten menschliche Überlegungen die biblische Verkündigung verfälschten, mußten zu allen Zeiten Theologen, Kirchenmänner und Gemeindemitglieder bemüht sein, die „Lehrgrundlage“ der Kirche in Erinnerung zu rufen. Das tat auch der Universitätsprofessor Martin Luther, als er seinen höchsten kirchlichen Vorgesetzten in Deutschland, den Erzbischof Albrecht von Mainz bat, den Ablaßpredigern eine biblisch begründete Predigtanweisung zu geben. Die Eingabe des berufenen Doktors der Theologie vom 31. Oktober 1517 fand jedoch nicht die kirchliche Zustimmung; sie löste vielmehr den Prozeß gegen Luther aus, der mit Kirchenbann und Reichsacht im Jahre 1521 endete. Diese Entscheidung bewirkte eine „Reformatorische Bewegung“, welche die „Reformation“ einleitete. Im rechtlichen Sinne gibt es „Reformationen“ erst seit dem Speyerer Reichstag von 1526; denn mit dem Reichstagsabschied von 1526 wurde die Rechtsgrundlage geschaffen für die Umwandlung eines katholischen Kirchenwesens in ein evangelisches durch die Landesfürsten.

 

Gestützt auf diese reichsrechtliche Entscheidung wurde das Religionsmandat des Pfalzgrafen Ruprecht für das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken im Jahre 1533 erlassen, mit dem die Reformation in Essenheim eingeführt wurde. Das Mandat war erforderlich geworden, weil der die Gemeinden verwirrende Zwiespalt  behoben werden musste; um dieses Ziel zu erreichen, wurde den Pfarrern eine vorläufige Ordnung in zwölf Artikeln zur Befolgung gegeben: Die Pfarrer wurden angewiesen, sich eines unsträflichen Lebenswandels zu befleißigen, Gottes Wort nach der Heiligen Schrift rein und lauter zu verkündigen und die für die Verkündigung vorgesehenen Sonn- und Festtage zu heiligen. Die Gemeinden sollen treulich über die Sakramente, Taufe und Abendmahl unterrichtet werden. Bei den kirchlichen Amtshandlungen, Trauungen und Beerdigungen, ist Gottes Wort zu verkündigen. Kranke sind zu besuchen, Bekümmerte seelsorgerlich zu trösten und die Jugend im Katechismus zu unterweisen. In allen Gottesdiensten soll die Gemeinde das „Allgemeine Kirchengebet“ für Kirche und Obrigkeit, für alle Menschen und jede Not beten.

In diesem Mandat, waren die Grundgedanken einer reformatorischen Kirchenordnung wiedergegeben. Es erhebt sich die Frage: Wurden die Bestimmungen dieser Kirchenordnung auch in Essenheim durchgeführt? Vor Einführung der Reformation gehörte die Pfarrei Essenheim zum Archidiakonat St. Maria in Campis (Kollegiatkirche St. Maria im Felde zu Mainz); sie lag im Archipresbyterat Partenheim. Nun war durch Vermittlung der Priesterschaft des Landkapitels (Archipresbyterat) Partenheim (in dem die pfalz-zweibrückische Exklave Essenheim lag) dem Mainzer Generalvikar Valentin von Tettenheim das Religionsmandat von 1533 in die Hände gespielt worden. Er forderte mit Schreiben vom 23. Juli 1533 den Pfalzgrafen Ruprecht auf, die neue „Kirchenordnung“ – so nannte er zutreffend das Religionsmandat von 1533 – zu verbieten, weil sie kirchlichem Herkommen und kaiserlichem Recht widerspräche.

Pfalzgraf Ruprecht verteidigte sein Religionsmandat von 1533. Er ging sogar noch weiter: Er übertrug die Oberaufsicht über alle Pfarreien im Herzogtum seinem Hofprediger Johannes Schwebel und ordnete die Durchführung einer allgemeinen Kirchenvisitation an. Diese Maßnahmen beweisen, dass im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken im Jahre 1533 die Einführung der Reformation „rechtlich“ erfolgte.

Erzbischof Albrecht von Mainz ließ – nach vorheriger Stellungnahme durch das Domkapitel – ein Gutachten ausarbeiten, das die „Zwölf Artikel von 1533“ als „sektische Neuerung und gemeynen christlichen Kirchen auch Römisch Kayserlicher Majestätund dem Heiligen Römischen Reich zuwider“ bezeichnete. Dieses Gutachten leitete der Erzbischof an Pfalzgraf Ruprecht weiter. Gestützt auf den Speyerer Reichstagsabschied von 1526 in Verbindung mit dem Nürnberger Anstand von 1523 wies der Pfalzgraf diesen Einspruch zurück und ließ durch Johannes Schwebel, seinen theologischen Berater, die Einführung der Reformation rechtfertigen.

Die Auseinandersetzung zwischen Erzbischof Albrecht von Mainz und Pfalzgraf Ruprecht von Pfalz-Zweibrücken war ausgelöst worden durch die Einführung der Reformation in Essenheim nach den Bestimmungen des Religionsmandates von 1533; die Anzeige hatte das Landkapitel Partenheim erstattet.

Das Religionsmandat  war im Januar von Johannes Schwebel entworfen und am 23. Januar 1533 von Martin Bucer (Straßburg) begutachtet worden. Im Mai war es den Pfarreien zugeleitet worden, und im Juni wurden in den Pfarreien die Gottesdienste nach der „einfachen“ Gottesdienstordnung gehalten. Da im Juli bereits die Beschwerde darüber dem Erzbischof vorgetragen wurde, kann angenommen werden, dass in Essenheim im Juni/Juli 1533 die Einführung der Reformation erfolgte.

 

Dieser Vorgang wurde in Essenheim nicht als tiefgreifende Wandlung empfunden. Das ergab sich aus der Art der Pfarrstellenbesetzung.

Inhaber der Pfarrstelle war seit 1530 der aus Mainz stammende Matthias Merckel; er war der Sohn eines „wohlgeachteten Burgers und Handwercksmannes, eines Wüllenwebers“.

Dieser Geistliche hatte sich schon früh mit Luthers Theologie befaßt und in seinen Predigten die biblischen Auslegungen des Wittenberger Universitätsprofessors verwendet. Von daher war für die Essenheimer geistig kein Umdenken notwendig. Im Gottesdienst änderte sich wenig: Der Pfarrer trug nach wie vor die Meßgewänder; er feierte auch die Heiligentage. Altar mit Kreuz und Kerzen blieben weiterhin in Brauch. Und auch die Verbindung mit der Katholischen Kirche in Mainz riß nicht ab.

 

Von diesem ehemaligen katholischen und seit 1533 lutherischen Essenheimer Pfarrer sind zwei Briefe bekannt, die für  die Beurteilung der Wirkungen des Konfessionswechsels aufschlussreich sind. Beide Briefe waren gerichtet an Dechant und Kapitel des Domstifts zu Mainz.

 

Der erste Brief stammt aus dem Jahre 1542 - also aus der Zeit, da Essenheim bereits neun Jahre lutherisch war. In diesem Brief bittet der nunmehr lutherische Pfarrer das katholische Domkapitel um eine Gehaltserhöhung; er begründet diese Bitte mit einer großen Zahl von Bibelstellen. Das Einkommen der Pfarrei Essenheim sei sehr gering; es gäbe weit und breit keine geringere Pfarrstellenbesoldung. Er erwähnt auch, daß vor vierzehn Jahren sein Vorgänger bei „dieser schwachen Pfarrei so gar verarmte, daß sein Koch um Brot betteln“ mußte. Deswegen konnte er nicht länger auf dieser armen Pfarrei bleiben und bat um einen Tausch; er - Merckel - war damals zum Täusch bereit, ohne zu wissen, wie arm die Pfarrei Essenheim gewesen ist. Nunmehr bittet er, das Domkapitel möge ihm zum Unterhalt „jerlich und weittere, Hilff und Steuer von dem Zehnten gnediglich verschaffen“. Und das Domkapitel stimmte zu und genehmigte die erbetene Gehaltserhöhung.

Wenig später richtete der Essenheimer Pfarrer einen zweiten Brief an, das Domkapitel zu Mainz, in dem er für seinen „alten, frumen und armen Vater“ um Hilfe und Beistand bittet. Sein Vater, der „schier funffzig Jahre hie zu Meintz ein wohlgeachteter Burger und Handwercksmann, ein Wüllenweber ist gewesen, sich allezeit ehrlich ernähret hat“, ist nun aber „im Alter durch Gottes Gnaden und Zufall krank geworden. Da er „so lang unter dem Schutz, des löblichen Erzbistums und Stifts gewesen, ist ihm auch die, selbige christliche Religion und Ordnung anmutiger geworden und begehrt allezeit dabei zu bleiben“. Der lutherische Pfarrer bittet, das Domstift wolle sich des Elendes seines (katholischen) Vaters erbarmen und dem armen kranken Mann in dem Stift, dem Spital zum Heiligen Geist, gnädig Aufnahme gewähren. „Dies Werk der Barmherzigkeit wird der Vater aller Gnaden ohne Zweifel hundertfältig hier und dort Eueren Gnaden vergelten, laut seines geliebten, Sohnes mannigfaltigen Versprechungen, der auch zu Eueren Gnaden im letzten Urteil den holdseligen Satz sprechen wird: Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters, wahrlich ich sage euch, was ihr den Armen getan habt, das habt ihr mir selbst getan. Dennselig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit empfangen.

 

Solche Gnade verleihe der gnädige Herr eueren Gnaden  und allen christlichen Herzen, so ernstlich nach dem Reich Gottestrachten. Amen. Euer Gnadenuntertänigster Caplan zu Essenheim.“

 

Dieser zweite Brief ist für die Beurteilung der Stellung, welche die lutherischen und die katholischen Christen damals zueinander einnahmen, von hohem Wert. Der lutherische Pfarrer wandte sich mit der Bitte, seinem alten, kranken, katholisch gebliebenen Vater zu helfen, an das katholische Dornkapitel – und das Domkapitel half.

 

3. Die Folgen

 

„Es gibt eine heilige Kirche, die immer bleiben wird“ (CA Art. VII). So lehren die Gemeinden bei uns in voller Übereinstimmung. Das steht im Augsburger Bekenntnis von 1530; das war und ist die Überzeugung aller evangelischen Christen. Freilich: Die historische Wirklichkeit sieht anders aus. Fünfundzwanzig Jahre nach diesem „Bekenntnis“ wurde in der gleichen Stadt der „Religionsfriede“ unterzeichnet, der die Spaltung der Christenheit in Katholiken und Protestanten besiegelte. Das bedeutet: Die Reformation, welche unter Wahrung der Einheit der Kirche die biblische Verkündigung zu erneuern beabsichtigte, war gescheitert. Im 16. Jahrhundert kam es nicht nur zur Spaltung der einen Kirche, sondern auch zur Zersplitterung der aus der Reformation hervorgegangenen Konfessionen.

 

Welche Folgen hatte die Einführung der Reformation in Essenheim? Im allgemeinen wurde die Reformation mit Kirchenvisitation, Pfarrstellenbesetzung und Verpflichtung auf die Kirchenordnung eingeführt. Die für das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken geplante „Allgeineine Kirchenvisitation“ konnte nicht vorgenommen werden; die Schwierigkeiten, die sich mit dem Erzbischof von Mainz ergeben hatten, wurden von Pfalzgraf Ruprecht diplomatisch beigelegt.

Es war klug, die Kirchenvisitation zu verschieben; erst im Jahre 1558 konnte die Kirchenvisitation im Amt Meisenheim (am 19. August in Essenheim) durchgeführt werden. Aus diesem Grunde mußte in Essenheim bei Einführung der Reformation alles, was „gut“ war, beibehalten werden: Der Inhaber der Pfarrstelle, Matthias Merckel, wurde in seinem Amt bestätigt und auf die „Zwölf Artikel von 1533“ verpflichtet. Der sonntägliche Gemeindegottesdienst wurde in folgender Form gehalten: Psalmengesang (Introitus), Gebet (Kollekte), Lesung (Epistel oder Evangelium),  Glaubensbekenntnis (Credo), Predigt, Heiliges Abendmahl, Segen. Das war die „einfache“ Gottesdienstordnung, die Johannes Schwebel entworfen hatte und die in Essenheim seit Juni/Juli 1533 praktiziert wurde.

 

Bei Einführung der Reformation in Essenheim konnte der Herzog von Pfalz-Zweibrücken das Reformationsrecht nicht in vollem Umfang ausüben; er mußte sich nach Lage der Dinge damit abfinden, nur über die Verleihung der Pfründe an den lnhaber der Pfarrstelle zu verfügen. Das bedeutete: Die weltliche Obrigkeit wies den Pfarrer von Essenheim, in die Nutznießung der Pfründe (Pfarrerbesoldung) ein und verpflichtete ihn, die Kirchenordnung einzuhalten. Aber: Dem Mainzer Domkapitel verblieb weiterhin das Patronatsrecht und der Benediktinerabtei St. Mauritius zu Tholey die Zehntberechtigung; diesen Rechten entsprachen Pflichten, die von beiden ebenfalls erfüllt wurden.

 

Welche Folgen hatte die Aufteilung kirchlicher Rechte und. Pflichten? In Ausübung seines Patronatsrechts übernahm das Mainzer Dornkapitel die Verpflichtung, die Essenheimer evangelischen Pfarrer zu prüfen und zu vereidigen. Der erste lutherische Pfarrer, Matthias Merckel, war seit 1530 Inhaber der Pfarrstelle; er hatte den Eid als Pleban (Gemeindepfarrer) am 14. Juni 1530 vor dem Mainzer Domkapitel abgelegt. Als er 1533 - mit Einführung der Reformation - lutherischer Pfarrer wurde, bestätigte ihn der Herzog von Pfalz-Zweibrücken in seiner Pfründe; da er bereits 1530 als katholischer Priester den Eid vor dem Mainzer Domkapitel abgelegt hatte, behielt diese Eidesleistung weiterhin ihre Gültigkeit. Die lutherischen Pfarrer der Folgezeit waren:

 

        - 1549 Johannes Sartorius

Bei Einführung des Interims abgesetzt.

Seit Einführung des Interims wurden katholische Priester eingesetzt; der nächste lutherische Pfarrer wurde 1558 ernannt.

1558 - 1562 Peter Senheim

1563 - 1570 Leonhard Werner

1571 - 1585 M. Johannes Zoetus (Johann Zetus)

1585 - 1588 Johannes Roth

Bei Einführung des reformierten Bekenntnisses abgesetzt.

 

Die lutherischen Pfarrer Sartorius; Senheim, Werner, Zoetus und Roth wurden, bevor sie dem Herzog von Pfalz-Zweibrücken präsentiert werden durften, vom Mainzer Domkapitel geprüft und vereidigt.

 

Die Ablegung des Examens erfolgte auf der Kanzlei zu Mainz. Anwesend waren außer dem Prüfling der Prüfer und der Protokollant. Der Prüfer stellte mehrere Fragen, so etwa: „Ob die Bibel zu unserer Zeit Glauben verdiene, da sie als ein sehr altes Buch, unter den Händen so vieler Abschreiber, wahrscheinlich viele und starke Veränderungen erlitten habe?“ Alle Fragenbezogen sich auf die christliche Glaubenslehre; die Fragen und Antworten (lateinisch) wurden von dem Schreiber zu Protokoll genommen und von dem Prüfer unterschrieben. Es ist zu vermerken, dass alle Kandidaten zuvor vom Superintendenten (also dem lutherischen geistlichen Vorgesetzten) geprüft worden waren; obwohl die Kandidaten dies betonten, wurde ihnen eröffnet, dass das Mainzer Domkapitel auf das Patronatsrecht nicht verzichte. Die lutherischen Kandidaten unterzogen sich deswegen der Prüfung und ließen sich vereidigen.

Die Abnahme des Eides erfolgte vor dem Vikariat in Mainz. Im großen Vikariatszimmer war das Domkapitel versammelt. Der Vikariats-Präsident erläuterte dem Kandidaten, daß er zur Präsentation auf die Pfarrei Essenheim ausersehen sei; darum müsse er jetzt den Eid der Treue ablegen, wie alle seine Vorfahren im Amt (auch vor Einführung der Reformation) dies getan hätten. Dem Kandidaten wurde das Buch mit der Eidesformel und den Unterschriften gezeigt. Dann wurde über Inhalt und Bedeutung des Eides belehrt und es wurde ihm dargelegt, daß von ihm nur das gefordert werde, was von jedem lutherischen Geistlichen zu fordern wäre, nämlich,

 

1) daß er in seinem Amt in allem sich an die Lehren der Heiligen Schrift und der unveränderten Augsburgischen Konfession halte und nichts, was denselben zuwider wäre, lehren möchte. (Dabei wurde dem Kandidaten „weitläufig“ der Unterschied zwischen der unveränderten und der veränderten Augsburgischen Konfession erklärt.)

2) Dann mußte der Kandidat schwören, dass er in Zukunft den Kurfürsten von Mainz „jederzeit, als einen Patronum Ecclesiae Essenheimensis anerkenne und verehre und nichts unternehmen wolle, was den Rechten desselben zuwider wäre“.

Nachdem der Kandidat den Eid abgelegt hatte musste er die Eidsformel in dem vorgelegten Buch unterschreiben. Die Eidesformel war lateinisch; sie endete ut Deus me adjuvet et sanctissimum ejus evangelium (So wahr mir Gott helfe und sein allerheiligstes Evangelium). Darauf antwortete das Domkapitel „mit lauter Stimme“: In principio erat verbum et verbum erat apud Deum, et Deus erat verbum (Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Joh. 1, 1).

Dann wünschte das Domkapitel dem Vereidigten „freundlich“ Glück, und der Vikariats-Sekretär überreichte die Urkunde, die zur „Präsentation“ berechtigte, „gegen Erlegung der Gebühren“.

 

Das Patronatsrecht mit der Verpflichtung zur Prüfung und Vereidigung der Kandidaten vor der Präsentation durch das Mainzer Domkapitel wurde 1802 außer Kraft gesetzt; allerdings waren im Ablauf der Zeiten mancherlei Änderungen eingetreten, so daß seit 1788 die Präsentation auch ohne Prüfung und Vereidigung durch das Mainzer Domkapitel erfolgen konnte.

 

Die Verbindung mit der Benediktinerabtei St. Mauritius zu Tholey blieb auch nach Einführung der Reformation in Essenheim bestehen. Bei der Kirchenvisitation am 1. April 1590 wurde festgestellt: „Das corpus der Kirche hat der Abt von Tholey in Bau zu halten. Die Bau- und Unterhaltungspflicht der Benediktinerabtei St. Mauritius zu Tholey ergab sich aus der Zehntberechtigung des Abtes; mit Übergang des Patronatsrechtes  an das Mainzer Domkapitel wurde die Wahrnehmung der Bau- und Unterhaltungspflicht der Dompräsenz zu Mainz übertragen.

 

Die Bau- und Unterhaltungspflicht an der Pfarrkirche zu Essenheim war seit Einführung der Reformation unter die Dompräsenz zu Mainz und die bürgerliche Gemeinde Essenheim in der Art aufgeteilt, daß das onus aedificandi et reparandi (die Pflicht zu bauen und zu unterhalten) an Chor und Schiff der Kirche der Dompräsenz zu Mainz, das onus aedificandi et reparandi am Turm aber der bürgerlichen Gemeinde oblag. Die Verpflichtung. der bürgerlichen Gemeinde ergab sich aus der Tatsache, daß der Turm mit Glocken und Uhr auch für Aufgaben der Allgemeinheit (z. B. bei Brand, Gefahr, Zeitansage) genutzt wurde. Im Jahre 1781 wurde die Verpflichtung der bürgerlichen Gemeinde neu gefaßt: „Den Glockenturm und die darin befindlichen Glocken hat die bürgerliche Gemeinde ebenso wie die Kirchhofmauer zu bauen und zu unterhalten, bzw. (die Glocken)

anzuschaffen.“

Die Bau- und Unterhaltungspflicht an Pfarrhaus und Altaristenhaus (Schulhaus) oblag ebenfalls der Dompräsenz zu Mainz.  Im Jahre 1765 wurde erläutert, daß die Dompräsenz „das Pfarrhaus mit Scheuer und Stallung“ zu bauen und zu unterhalten habe.

Die Dompräsenz zu Mainz hatte im 15. Jahrhundert den quadratischen, rippengewölbten Chor und das Langhaus erbaut. Im Jahre 1773 erhielt die Kirche ein neues Langhaus, das wesentlich größer als das bisherige war. Nachdem Kirchenumbau, der dem Gotteshaus die äußere Gestalt gab, die es heute noch aufweist, ist die Kirche mehrfach Reparaturen unterzogen worden. Das aus mittelalterlicher Zeit stammende Pfarrhaus wurde im Jahre 1727 durch einen Pfarrhausneubau ersetzt; Neubau und Reparaturen wurden von der Dompräsenz zu  Mainz finanziert.

 

Eine Ausnahme ist zu erläutern: Im Jahre 1700 wurde die Kirche im Innern repariert; die Kosten übernahm der „Klingelbeutel“. Die Dompräsenz zu Mainz hatte sich geweigert, die Kosten für diese Instandsetzungsmaßnahmen zu übernehmen, weil dabei die Heiligenbilder entfernt worden waren und der Altar eine Umgestaltung in reformiertem Sinne erfahren hatte.  Das aber ging nach Auffassung der Dompräsenz - der kirchlichen Tradition in Essenheim zuwider.

 

In der Franzosenzeit 1797/98 endete die Bau- und Unterhaltungspflicht der

Dompräsenz zu Mainz (mit dem Wegfall der Zehntberechtigung); sie ging zunächst an den reformierten Kirchenfonds über und obliegt seit der Kirchenvereinigung von 1822 der evangelischen Kirchengemeinde Essenheim. Die Bau- und Unterhaltungspflicht an Kirchturm und Kirchhofmauer verblieb bei der bürgerlichen Gemeinde (bis zur Neuregelung in der Folgezeit).

 Historisch gesehen, ist hervorzuheben, dass von 1533 (Einführung der Reformation) bis 1797/98 das Mainzer Domkapitel das Patronatsrecht mit den daraus sich ableitenden Verpflichtungen als „Glaubenswächter für die evangelische Kirchein Essenheim“ wahrnahm; im gleichen Zeitraum erwies sich die Dompräsenz in Mainz bei Handhabung der Zehntberechtigung mit den sich daraus ergebenden Verpflichtungen als Sachwalter der geistlichen Gebäude. Blieb denn, bei einer so starken Einflußnahme der erzbischöflichen Organe auf Leitung und Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten in Essenheim überhaupt noch  Raum für die Tätigkeiten der ortsherrschaftlichen kirchlichen Ämter?

Das kirchliche Leben in Essenheim wurde seit Einführung der Reformation nach den „Zwölf Artikeln von 1533“ gestaltet. Am 21. Mai 1539 unterzeichneten die Pfarrer eine Resolution, in der sie sich zum Mandat von 1533 bekannten. Am 1. Juli 1557 erschien die „Kirchenordnung, wie es mit der christlichen Lehr, Reichung der hl. Sacramenten, Ordination der Diener des Evangelii und ordentlichen Ceremonien, Erhaltung christlicher Schulen und Studien, auch anderer der Kirchen notwendigen Stücken etc. in Unser Wolfgangs etc. Pfalzgrafens, Herzogen etc. Fürstentum gehalten werden soll“. Das war eine anerkannt gute Kirchenordnung;, in ihrem Anhang bot sie eine eihe von liturgischen Gesängen, Chorälen und Psalmliedern zum Gebrauch in der Gemeinde an. Die Kirchenordnung hat mehrere Auflagen erlebt, die letzte 1721.

Das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken hat eine Nachreformation erlebt. Im Jahre 1588 wurde der lutherische Katechismus durch einen reformierten ersetzt; das war der Zeitpunkt, da in allen Gemeinden  des Herzogtums, auch in Essenheim, die Konfession gewechselt wurde. Der lutherische Pfarrer Johannes Roth wurde abgesetzt und der reformierte Pfarrer Nicolaus Ulmens (Nicklaß Uhlmen) zum Inhaber der Pfarrstelle ernannt.  Die Kirchenordnung Herzog Wolfgangs von 1557 konnte weiter in Geltung bleiben, weil die einfachen liturgischen Formen dieser Ordnung den reformierten Ordnungen verwandt waren. Den Essenheimern bereitete der Konfessionswechsel keine Schwierigkeiten, weil sie einen Unterschied nicht empfanden. Erst nach dem Übergang an Kurpfalz im Jahre 1733 bürgerte sich der Gebrauch der Kurpfälzischen Kirchenordnung von 1563 allmählich ein. Die reformierte Landeskirche des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken war in vier Inspektionen eingeteilt, die mit den Oberämtern der herzoglichen Verwaltung, (Bergzabern, Lichtenberg, Meisenheim und Zweibrücken) übereinstimmten. Essenheim gehörte zum Oberamt Meisenheim, Inspektion Meisenheim. Die von Meisenheim weit abliegenden Ortschaften Stadecken und Essenheim wurden 1733 an Kurpfalz abgetreten. Seit 1733 gehörte Essenheim zum Kurfürstentum Pfalz, Amt Oppenheim, Inspektion Oppenheim.

 

Die Einhaltung der Kirchenordnung und die Gestaltung des kirchlichen Lebens wurden von dem Superintendenten beratend überwacht und mit seelsorgerlichem Zuspruch geleitet. Bei den Kirchenvisitationen, deren Protokolle für das Amt Meisenheim für die Zeit von 1558 bis 1590 vorliegen, wurde die Verwaltung des Kirchenvermögens, der Pfarrerbesoldung und der Instandhaltung der geistlichen Gebäude überprüft, Mißstände behoben und Anregungen für gute Weiterentwicklung überlegt. Die Visitationsprotokolle zeigen, daß das Zusammenspiel von Evangelischen und Katholischen, von geistlichen und weltlichen Oberbehörden segensreich für die Gemeinde Essenheim war. Ganz gewiß gab es auch in dieser Epoche - wie zu allen Zeiten - Lob und Tadel für Pfarrer und Gemeinde. Es ist nicht möglich, eine Wertung der evangelischen Kirchengemeinde Essenheim für die Zeit von der Einführung der Reformation bis zur Franzosenzeit vorzulegen; es zeichnet sich aber aus kirchengeschichtlicher Betrachtung klar die Erkenntnis ab, daß Martin Luthers deutsche Bibel als Grundlegung für die Gestaltung des kirchlichen Lebens dem Allgemeinen Priestertum, in dem Pfarrer und Gemeinde vereint sind, den Weg zum Glauben und zur Liebe ebneten.

Die Auswirkungen der Französischen Revolution von 1789 griffen tief in das Weltgeschehen ein. Am 20. April 1792 erklärte die französische Nationalversammlung dem „König von Ungarn und Böhmen“ den Krieg; damit begannen kriegerische Auseinandersetzungen, die bis 1814 Deutschland in Mitleidenschaft zogen und keine Gemeinde – auch Essenheim nicht – verschonten. Die Franzosenzeit (1792-1814) veränderte nicht nur die staatlichen, sondern auch die kirchlichen Einrichtungen so grundlegend, dass wir feststellen müssen: Die Kirche nach 1814 war anders - ganz anders – als die Kirche vor 1792.

Als Rheinhessen im Jahre 1816 dem Großherzogtum Hessen einverleibt wurde, bestanden in ihm 105 protestantische Pfarrstellen von denen 52 lutherisch und 53 reformiert waren. Die konfessionelle Vermischung hatte alle Gemeinden - auch Essenheim - erfaßt. Die Erfahrungen während der Franzosenzeit und im Verlauf der Befreiung ließen die Konfessionsvereinigung als dringend geboten erscheinen. Am 28. November 1822 erschien die „Urkunde über die Vereinigung der beiden bisher getrennt gewesenen protestantischen Konfessionen in der Provinz Rheinhessen zu einer vereinten evangelisch-christlichen Kirche“. Am Weihnachtstag, dem 25. Dezember 1822, wurde ‑in allen rheinhessischen Gemeinden das Vereinigungsfest gefeiert. Mit der kirchlichen Neugliederung kam die Pfarrei Essenheim im Jahre 1835 zum Dekanat Mainz; damit war Essenheim in die Hessische Kirche eingegliedert.

 

Für das kirchliche Leben in allen Gemeinden, einerlei welcher Kirchenorganisation die Einzelgemeinde zugeteilt ist, gilt Martin Luthers theologische Erkenntnis, die er mit dein Pauluswort aus Röm 1, 16 bekannte:

 

"Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben."

 

 

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